Karl Schiller
Karl August Fritz Schiller wurde am 24. April 1911 als Sohn eines Ingenieurs in Breslau geboren. Er wuchs in Kiel auf. 1931 begann er sein Studium der Volkswirtschaft und der Rechtswissenschaften an der Universität Kiel. Anschließend wechselte er an die Universitäten Frankfurt/Main, Berlin und Heidelberg. Zudem trat er in den Sozialistischen Studentenbund ein.
1934 schloss er sein Studium als Diplom-Volkswirt ab. Er promovierte 1935 in Heidelberg zum Dr. rer. pol. mit einer Dissertation über Arbeitsbeschaffung und Finanzordnung. Von 1935 bis 1941 leitete er eine Forschungsgruppe am Institut für Weltwirtschaft in Kiel. 1939 habilitierte er an der Universität Kiel. In den Jahren 1941 bis 1945 leistete er Kriegsdienst im Zweiten Weltkrieg, weswegen er seiner Berufung zum Ordentlichen Professor für Nationalökonomie in Rostock 1944 nicht nachkommen konnte.
1946 erhielt er eine Gastprofessur an der Universität Kiel. Im selben Jahr trat er in die SPD ein. 1947 wurde Schiller zum Ordentlichen Professor an der Universität Hamburg berufen. Er beschäftigte sich vor allem mit Wirtschaftstheorie, Wirtschaftspolitik und Außenwirtschaft. Außerdem übernahm er die Leitung des Instituts für Außenhandel und Überseewirtschaft und wurde Direktor des Sozialökonomischen Seminars.
Von 1948 bis 1953 war er Wirtschafts- und Verkehrssenator in Hamburg, zudem von 1949 bis 1957 Mitglied der Hamburger Bürgerschaft. 1956 wurde er für zwei Jahre zum Rektor der Universität Hamburg ernannt. Von 1958 bis 1960 war er Mitglied des Wissenschaftsrats der Universität Hamburg. 1959 hatte er mit seiner Formel „so viel Wettbewerb wie möglich, so viel Planung wie nötig“ wesentlichen Einfluss auf die wirtschaftspolitische Kursänderung der SPD, die sich im Godesberger Programm niederschlug.
Im Jahre 1961 wurde Schiller von Berlins damaligem regierenden Bürgermeister Willy Brandt zum Wirtschaftssenator der Stadt berufen. Dieses Amt hielt er bis 1965 inne. Von 1964 bis 1972 war er Mitglied des Vorstandes der SPD. In dieser Funktion leitete er auch deren wirtschaftspolitischen Ausschuss. 1964 wurde seine Schrift „Der Ökonom und die Gesellschaft - das freiheitliche und soziale Element in der modernen Wirtschaftspolitik“ veröffentlicht.
Von 1965 bis 1972 war Schiller Abgeordneter des Deutschen Bundestages, zudem stellvertretender Fraktionsvorsitzender und wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. 1966 wurde er Mitglied des Präsidiums der SPD. In der Regierung der Großen Koalition übernahm er von 1966 bis 1971 das Amt des Bundeswirtschaftsministers. Als wirtschaftspolitisches Konzept initiierte er die Politik der Globalsteuerung. Er arbeitete in dieser Zeit erfolgreich mit dem CSU-Finanzminister Franz-Josef Strauß zusammen, das ungleiche Paar wurde im Volksmund „Plisch und Plum“ genannt.
1967 trat das von Schiller erarbeitete Stabilitäts- und Wachstumsgesetz in Kraft. Am 14. Februar diesen Jahres kamen auf Initiative Schillers Vertreter von Arbeitnehmer- und Unternehmerverbänden sowie des volkswirtschaftlichen Sachverständigenrates und der Bundesregierung zu informellen Gesprächen über eine „Konzertierte Aktion“ zusammen, mit der die Rezession bekämpft werden sollte.
Der damalige Bundeskanzler Georg Kiesinger entschied sich 1969 gegen eine DM-Aufwertung, die Schiller und Erhard befürworteten. Am 10. Februar des selben Jahres unterzeichneten Schiller und das Mitglied des jugoslawischen Bundesvollzugsrates Toma Granfil in Bonn ein deutsch-jugoslawisches Abkommen über wirtschaftliche, industrielle und technische Zusammenarbeit. Ebenfalls in diesem Jahr wurde seine Schrift „Aufgeklärte Marktwirtschaft“ veröffentlicht.
Auch in der sozial-liberalen Regierung unter Bundeskanzler Brandt blieb Schiller zunächst Bundeswirtschaftsminister. Am 13. Mai 1971 trat Bundesfinanzminister Alex Möller aufgrund der kritischen Haushaltslage zurück, worauf Schiller dessen Position als Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen übernahm. Vom 19. bis 20. April 1972 kam unter Vorsitz von Karl Schiller die deutsch-sowjetische Kommission für wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit in Bonn zusammen.
Am 7. Juli 1972 trat Schiller wegen Meinungsverschiedenheiten über die Währungs- und Finanzpolitik innerhalb des Bundeskabinetts als Wirtschafts- und Finanzminister zurück. Sein Nachfolger wurde der bisherige Verteidigungsminister Helmut Schmidt. Kurz darauf stellte Schiller auch seinen Platz im Parteipräsidium und im Bundesvorstand der SPD zur Verfügung. Im September 1972 trat er aus der SPD aus. Im nachfolgenden Bundestagswahlkampf engagierte er sich zusammen mit Ludwig Erhard in einer gemeinsamen Anzeige für die CDU. Er trat der CDU jedoch nicht bei, sondern blieb parteilos.
Von 1973 bis 1979 war er Präsident des Verwaltungsrats der in Luxemburg und Monaco ansässigen Entwicklungsgesellschaft EDESA (Economic Development Corporation for Equatorial and Southern Africa). 1978 wurde ihm der Ludwig-Erhard-Preis verliehen. 1980 folgte sein Wiedereintritt in die SPD. Schiller übernahm 1984 die Aufgabe als Schlichter im Lufthansa-Tarifkonflikt. Im Bundestagswahlkampf 1987 trat Schiller mit großen Zeitungsanzeigen für den SPD-Kanzlerkandidaten Johannes Rau ein.
Im Jahr 1991 wurde Karl Schiller mit dem Großen Bundesverdienstorden mit Stern und Schulterband ausgezeichnet. 1992 unterzeichnete er ein Manifest von rund 60 deutschen Wirtschaftswissenschaftlern, die vor einer überhasteten Einführung der Europäischen Währungsunion warnten und die Ansicht vertraten, daß die Beschlüsse von Maastricht ein konfliktarmes Zusammenwachsen der EU-Mitgliedstaaten gefährden würden. 1994 wurde seine Schrift „Der schwierige Weg in die offene Gesellschaft - kritische Anmerkungen zur deutschen Vereinigung“ veröffentlicht.
Karl Schiller starb am 26. Dezember 1994 in Hamburg.